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Bun dé! Co vara pa?

Bun dé! Co vara pa?

Ladinisch für: Guten Tag! Wie geht´s?

Südtirol: Bella Italia! Das Sehnsuchtsziel nahezu aller Bergfreunde nördlich des Brenners. Dafür verantwortlich ist sicherlich die eindrucksvolle Alpenkulisse, das meist sonnige Wetter, aber natürlich auch, dass neben dem Italienischen Deutsch gesprochen wird. Sprachliche Hürden dürfte es also kaum geben. Dass aber die Provinz Südtirol nicht nur zwei, sondern drei Amtssprachen hat, gerät dabei oft in Vergessenheit. Dabei erlebt die wunderschöne ladinische Sprache derzeit einen regelrechten Aufschwung – und eine ganz neue Wertschätzung. Zum Glück!


Auf unserer Reise vom Ötztal bis nach Alta Badia durchqueren wir gleich eine ganze Hand voll verschiedener Täler und Regionen. All die gesprochenen Akzente unterscheiden sich recht deutlich voneinander – da reicht manchmal schon eine Autostunde und schon ist in Restaurants, Hotels und Fußgängerzonen ein ganz anderer Klang zu hören. Am markantesten ist der Unterschied aber spürbar, wenn man südlich von Brixen aus dem Eisacktal ins Grödental reist. Hier treffen wir erstmals auf die ladinische Sprache. Das aber ist noch lange nicht alles: Den grödnerischen Akzent „Gherdëina“ lassen wir schon bald hinter uns, als wir das Grödner Joch (die Ladiner nennen es übrigens Jëuf de Frea) passieren. Im dahinterliegenden Alta Badia nämlich, da klingt die ladinische Sprache wieder anders. Hier spricht man „Badiot“. Für Touristen wird die Lage also immer unübersichtlicher, vor allem, weil sich Ladinisch für uns ungewohnt fremd anhört und eigentlich kaum mit unserer eigenen, oder einer unserer Nachbarsprachen vergleichbar ist. Das bedeutet auch, dass dort wo ladinisch gesprochen wird, eigentlich alles dreisprachig ist. Selbst das kleinste Straßenschild: Ladinisch, deutsch und italienisch. Wer jetzt aber glaubt, hier mit der deutschen Sprache durchzukommen, der täuscht sich. Wesentlich sinnvoller seien da einige Grundkenntnisse im Englischen, weiß Elena Frenademetz. Sie unterrichtet als Lehrerin in der Ferienregion Alta Badia unter anderem auch im Fach Ladinisch und erklärt uns, was es mit der Sprache auf sich hat.


Ladinisch ist die älteste Sprache, die im Dolomitenraum gesprochen wird. Vor der Invasion der Römer, etwa zu Beginn unserer Zeitzählung, waren die dortigen Einwohner Teil eines sehr komplexen Mix mit unterschiedlichen Sprachen und Kulturen. Aus der Verbindung dieser altkeltischen, bzw. rätischen Kultur und jener der Römer, entstand schließlich die ladinische Sprache. In den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt, verbreitete sie sich noch schnell und war bald schon die meistgesprochene Sprache im ganzen Alpenraum. Als Randinformation: Die italienische Sprache entwickelte sich erst einige hundert Jahre später. 

Zur Zeit der großen Völkerwanderungen, also im 6. Jahrhundert n. Chr., zersplitterte aber das Sprachgebiet. Die Dolomitenladiner waren bald schon vom rätoromanischen Gebiet im Westen getrennt, was einen massiven Zerfall der Sprachkultur im gesamten Alpenraum zufolge hatte. In einigen wenigen abgelegenen Bergtälern konnte sich die Sprache aber bis heute halten: Beispielsweise im Grödner- und hier im Gadertal, im Fassatal und Ampezzo, aber auch im schweizerischen Kanton Graubünden. Nach diesem Zerfall wurde Ladinisch lange Zeit lediglich als Dialekt und nicht als eigenständige Sprache anerkannt. Glücklicherweise, so Fredamenetz, hat sich das 1972 geändert, sodass diese fast verlorengegangene Sprache gerettet werden konnte. Ladinsich wurde von da an offiziell als Minderheitensprache anerkannt. Heute sprechen ungefähr 30.000 Menschen Ladinisch.


Schulkinder werden im Fach Ladinisch unterrichtet. Es gibt ladinische Fernseh- und Radiosender, sowie eine Zeitung. Es gilt „das Recht auf Gebrauch der Muttersprache im Verkehr mit allen für Südtiroler relevanten öffentlichen Verwaltungseinrichtungen und Dienstleistern“, was beispielsweise mit nötigen Dreisprachigkeitsnachweisen im öffentlichen Dienst umgesetzt wird. Man ist also nicht einfach nur stolz auf die uralte Sprache, sondern sich auch der Verantwortung bewusst, sie dauerhaft zu erhalten.


Auch außerhalb der ladinischsprachigen Regionen wächst dieses Bewusstsein. Gäste und Touristen interessieren sich zunehmend für die Hintergründe und natürlich die Sprache selbst. Mit der Initiative „Nos Ladins“ („wir Ladinder“) können sich Interessierte im Raum Alta Badia ganz persönlich mit der Kultur auseinandersetzen. Dafür bekommt man einen sogenannten ladinischen Botschafter an die Hand. Mit diesem Botschafter taucht man dann ein: beispielsweise mit einem Bergführer in die Dolomiten, mit einem Weinsommelier in die Weinkeller der Region, oder eben mit Elena Frenademetz in die Linguistik, während einem ihrer Sprachkurse. Am Endpunkt unserer Reise klingt Ladinisch wie Musik in den Ohren. Der Klang dieser Sprache macht uns klar, dass wir weit weg von Zuhause sind, am Rande des deutschsprachigen Alpenraums und eigentlich schon darüber hinaus. Auf den Straßenschildern fallen uns eigenartige Details auf. Ein alleinstehendes Ypsilon. Ein e mit Trema, also einem aufgesetzten Doppelpunkt. Ein klein wenig lässt all das das Gefühl aufkommen, sich in einem weit entfernten Land zu befinden. Und immer wenn man meint, ein Wort verstanden oder gelernt zu haben, wird man eines Besseren belehrt. Die Sprache ist schwierig zu durchschauen und selbst wenn man sich damit auseinandersetzt, so stößt man oft ein Tal weiter auf wieder einen anderen Akzent. Untereinander können sich die Ladiner zwar immer verstehen, so Frenademetz, doch gibt es häufig auch Worte, die von einem Tal zum anderen überhaupt keinen Zusammenhang mehr aufweisen. 

Wir fragen die Lehrerin, wie sie den Klang ihrer Sprache denn beschreiben würde, was verständlicherweise zunächst zu einer langen Denkpause führt. Schließlich lässt sich diese Sprache kaum in eine Schublade stecken und selbst wenn man mehrere Sprachen spricht, so gibt es nur sehr selten nützliche Zusammenhänge, wie sie zum Beispiel im Spanischen und Italienischen sehr häufig zu finden sind. Schließlich versucht es Elena Frenademetz aber trotzdem: Ladinsich sei ihrer Meinung nach weit weniger melodisch als die meisten anderen Sprachen Mitteleuropas. Trotzdem aber klingen die verschiedenen Sätze sehr kunstvoll, selbst wenn Ladinisch eine sehr harte, kraftvolle Sprache sei. Das sei vielleicht am ehesten damit zu erklären, so Frenademetz, dass die Ladiner selbst schon damals in einer harten, rauen, aber auch wunderschönen Bergwelt lebten. In einer Welt voller furchteinflößender Felsgiganten, aber auch lieblichen Blumenwiesen. In einer Welt voller warmer Sonnentage und langer, dunkler Wintermonate. Eben in der kontrastreichen Welt der Dolomiten.

Mehr zur Linguistik in Alta Badia

Wer sich vor Ort für die Sprache interessiert, sollte unbedingt das Museum Ladin Ciastel de Tor, in St. Martin in Thurn besuchen. Es befasst sich neben der Geschichte und Gegenwart der Region ganz besonders mit der Sprache, welche nicht nur als Bindeglied der verschiedenen Täler, sondern auch als wichtiger Bestandteil der ladinischen Identität angesehen wird. 


Museum Ladin Ciastel de Tor
Torstraße 65 | 39030 St. Martin in Thurn

info@museumladin.it | www.museumladin.it

TEL +39 474 524062

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