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Der Herr der Pfannen

Alpine Naturküche in der Rauchkuchl Schwaigerlehen

Versteckt hinter Weinranken und Clematis, Begonien und Obstbäumen, dunkelbraun von Alter und Wetter steht er da, der Bauernhof Schwaigerlehen, seit beachtlichen 500 Jahren. Immer wieder umgebaut, ausgebaut, einiges eingebaut, lebt er mit den Familien weiter, die ihn liebevoll bewohnen, pflegen und – bekochen: Hier wird in der vierten Generation seit 1893 ein Wirtshaus geführt. Auch eine Bäckerei, etwas weiter unten im Ort Stuhlfelden, gehört zur Familie, Markus Bacher hat sie zum Café mit Torten und einem opulenten Frühstück erweitert. Er backt täglich aus verschiedenem Korn Knuspriges im Schaubackofen neben der Eingangstüre: Ein duftendes Schauspiel für jeden, der zeitig genug einkauft. Arbeitsbeginn in der Backstube ist für ihn übrigens bereits schon morgens um 1 Uhr – kein »leichtes Brot«.  

Auch sein jüngerer Bruder hat sich dem regionalen Geschmack verschrieben und kocht in der Rauchkuchl am Hof der Familie, charmant, begeistert und begabt. Ohne Trara und Tüdeldü schlicht und einfach brät und bruzzelt Tobias Bacher wunderbare Überraschungsmenüs aus Produkten der nahen Umgebung und wurde dafür mit seinen erst 22 Jahren bereits mit einer Haube belohnt: Man merkt ihm eben das Vergnügen an den Gaumenfreuden seiner Heimat und ihren Produkten an, wenn er mit Wildkräutern und Beeren, Baumknospen oder Lärchennadeln Aromen harmonisiert und seine Pfannen schwenkt.

Das kann man miterleben, wenn man im Allerheiligsten des Hofes, der Rauchkuchl, zu sitzen kommt, nachdem man in der überquellenden Stube – Tobias‘ Mutter Thresi, seine Mentorin, ist eine emsige Sammlerin jedweden Krimskrams – begrüßt wird. Meist mit viel Gelächter und einem Glas Apfelsekt, mit Geplauder und dem Kennenlernen der anderen Gäste – Thresi ist auch eine geniale Netzwerkerin, die oft erlesene Gästeliste beweist es.   

Schon zur Vorspeise beginnt das Kochzeremoniell. Auftritt Thresi, die mit Spandeln und Scheiten den Holzherd zum Glühen bringt und mit den Gästen scherzt, während man bei feinem Speck, Butter mit Kräuterschmuck auf Granitblock (hält gut kühl), Körndelbrot (aus der Familienbäckerei, abgestimmt auf das Menü) und kleinen Vorspeisen dem Hauptakt entgegen genießt. Dann wird es ernst, Tobias und sein Team füllen den Serviertisch mit vorbereitetem Gemüse, Erdäpfeln, Kräuterschalen, Fleisch, Fisch. Die riesigen Pfannen werden auf die Herdringe gesetzt und der Zauber einer Schlemmernacht nähert sich dem Höhepunkt. Jeder Handgriff sitzt, Thresi rührt, Tobias wendet, Angelika reicht zu, es prasselt und zischt. Jetzt werden die Teller bereitgestellt, flink belegt und bestreut und an das erwartungsvolle Publikum verteilt. Tobias erklärt nun auch den Hauptgang. Und dann wird es still. Die Stille des Genusses, hier und da von Begeisterungsgeräuschen unterbrochen.

Diese Geschmackszauberei inmitten von Gämsenkrickerln und Schmiedeeisenleuchtern, Blumengestecken und Kerzenarrangements hat Tobias, auch Tobi, sich schon als Kind abgeschaut, war gerne in der und für die Küche unterwegs. Dann kamen Küchen-Ferienjobs, mit 15 eine dreijährige Kochlehre und schließlich etliche Anstellungen in verschiedenen Restaurants, nicht nur in Österreich, auch in Südtirol. Nicht immer lustig, aber immer wichtig, um Erfahrungen zu sammeln. „Ich habe überall was gelernt.“ Gerne erwähnt er Vitus Winkler vom Sonnhof, mit dem er viel gemeinsam hat: die Liebe zur heimischen Natur und die kreative Überlegung dazu, was man mit Alm- und Waldprodukten so alles machen kann, wie sich die Heimat erschmecken lässt. „Der gleiche Lebensraum ist bei der Zusammenstellung der Gerichte wichtig.“

„Wir haben ein Wirt’shäusl, und da gibt es
Unkompliziertes, aber dafür was G’scheit’s.“

Richtig regional ist ihm wichtig. „Und nie von weit weg, nur weil es günstiger ist.“ Doch es muss auch nicht gerade der Nachbar sein, oder Bio. „Das Produkt muss gut sein, der Rest ist wurscht.“ Schon die Webseite sagt viel aus, hat er die Erfahrung gemacht. Die meisten Lieferanten hat er selbst ausgesucht, kennt sie alle persönlich und vertraut ihnen voll. Und er möchte auch wissen, wie was hergestellt, gepflanzt, aufgezogen oder geerntet wird. „Irgendein Edel-Spargel, wo die mit Bussen angekarrten Erntehelfer 2,50 pro Stunde verdienen, das kommt überhaupt nicht in Frage.“

Und so ist es ihm auch ein Anliegen, das auswärtige Geld, das Touristen und Gäste zu ihm bringen, an die Bauern in der Region zu verteilen. „Die Region geht doch sonst ein.“

Die Gerichte und Rezepte stellt er nach dem zusammen, was gerade wächst und ausreichend zu Verfügung steht. So kann es sein, dass das versprochene Heidelbeermousse zum Zwetschgenröster wird, wenn die Ernte nur noch aus ein paar Beeren besteht. Im Winter gibt es dann zum Beispiel Petersilienpüree und Giersch („Wächst unterm Schnee.“). Kräuter werden rund um den Hof und auf den Almen gezogen, die auch der Familie gehören. Fischen ist eines der Hobbys von Tobias. „Neulich am Zeller See habe ich einen Waller erwischt, 16 kg, der war besonders gut.“ Wenn er das sagt, und wenn man schon einmal seinen gebratenen Hecht oder ein Forellenfilet gegessen hat…

Noch ein Hobby hat er, der täglich außer Sonntag und Montag, von 9 bis 24h in der Küche steht: Kristalle. Dafür klettert er durch Felswände und hackt am Gestein herum, bis sich die funkelnden Schätze lösen. „Ich bin offenbar ein Sammler und Jäger.“ Die findet man auch überall in den Gaststuben und auf Kästen und Schränken. Und in den Schlafstuben, die man mieten kann. „Wir haben das Haus möglichst original erhalten, und einzelne Toiletten oder Bäder in den Zimmern sind sich da nicht ausgegangen. Aber wir haben keine spießigen Gäste, die verstehen das.“

Und wenn nicht, dann sind sie im Schwaigerlehen fehl am Platz. Wie auch in den Almhütten, die die Thresi vermietet und betreut. Wunderbar gelegen, ebenfalls mit Thresis Sammlertrophäen gefüllt, teils noch mit Plumpsklo und improvisierter Dusche. Mit herumwuselnden Murmeltieren, leisem Glockengeläute von mümmelnden Kühen und der weiten Stille zwischen den 3000ern der Hohen Tauern und den Grasbergen der Kitzbüheler Alpen.

written by Elisabeth Hewson

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