Viele Jahre nannte sich Seefeld „Olympiaregion“, weil das Feuer anno 1964 und 1976 auch auf dem Hochplateau loderte und hier oben Wettbewerbe ausgetragen wurden. Der Wintersport mit Biathlon, Skispringen, Langlauf und der Nordischen Kombination wurde Basis für die touristische Entwicklung. Seit 2022 ist das jedoch Schnee von gestern. Die Tourismusmanager befanden, dass ihr Revier zu vielseitig ist, um es auf ein einziges Thema und eine einzige Jahreszeit zu reduzieren. Sie tauften es kurzerhand um in „Region Seefeld – Tirols Hochplateau“. Und wurden sich der Tatsache bewusst, dass das Hoch-Plateau längst auch Hoch-Küche zu bieten hat. Vor allem dann, wenn man die große Schwester Innsbruck miteinbezieht, die ja nur 24 Kilometer entfernt ist.
Innsbruck ist zwar Studentenstadt, in der es mehr Bars und Clubs als Gourmetlokale gibt, und wo Casual Dining oft Vorfahrt vor Fine Dining hat. Aber IL ist eben auch Tirols Landeshauptstadt. Und deshalb verwundert es nicht, dass sich hier einige hochkarätige Restaurants etablieren konnten. Zwar ist die Dichte an Gault&Millau-Hauben zwischen IL und Seefeld nicht so hoch wie am Arlberg oder in Ischgl. Und auch das Bewusstsein für eine „Genussregion“ ist noch nicht so ausgeprägt wie zum Beispiel in der Steiermark oder in Kärnten. Aber zwischen Hochplateau und Inntal tut sich etwas und das Thema Kulinarik rückt immer mehr in den Fokus. Natürlich dürfen dabei traditionelle Gerichte, die wohlige Kindheitserinnerungen wecken, auf den Speisekarten nicht fehlen. Ein deftiger Kalbswurstsalat und zum Nachtisch ein Topfen-Grieß-Schmarrn – wer kann da schon widerstehen?
Inzwischen kommen hier jedoch auch sehr verwöhnte Feinschmecker und Gourmets auf ihre Kosten. Die spannendsten Adressen stellen wir Ihnen auf den folgenden Seiten vor.
Autor: Günter Kast
Seit Mitte September 2022 firmiert das ehemalige Astoria Resort Seefeld als Alpin Resort Sacher. Jahrzehntelang in Familienbesitz, übernahm Sacher-Patronin Elisabeth Gürtler hier 2015 das Zepter und baute das Fünf-Sterne-Superior-Haus konsequent um und aus. Das dritte Hotel der Sachers (neben Wien und Salzburg) überzeugt mit seiner Lage inmitten eines 20.000 Quadratmeter großen Parks, seiner Aussicht auf die umliegenden Berge und einem großzügigen Spa- und Wellnessbereich, der bereits viele Preise abräumen konnte. Auch kulinarisch ist das Hotel ein Flaggschiff und dessen Fine-Dining-Restaurant „Der Max“ mit zwei Gault&Millau Hauben und 14,5 Punkten formell das beste Lokal am Ort.
Im Reich von Chefkoch Kai Küpferle (29) sind auch externe Gäste willkommen. Ausgebildet bei Markus Nagy im Sternelokal „Zum Löwen“ im badischen Eggenstein ging er als Chef de Partie in die „Wolfshöhle“ in Freiburg zu Sascha Weiss. Nach dessen tragischem Herzinfarkt samt Gedächtnisverlust wechselte Küpferle als Sous Chef in „Das Kranzbach“ auf der anderen Seite des Wettersteins. Und von dort war es kein weiter Weg mehr ins Sacher nach Seefeld, wo er mit seinem ebenfalls noch jungen Team aus verschiedenen Ländern große Freiheiten genießt und Neues ausprobieren darf: „Mich reizt die Kombination aus Tradition, Regionalität und Innovation“, bekennt er, „der Spagat zwischen heimischer und moderner Küche.“
Was genau er unter „Freestyle“ versteht, zeigt zum Beispiel sein Tartar von der Leutascher Regenbogenforelle. Nun ist das ja ein Entrée, das auch anderswo auf der Menükarte steht. Küpferle gelingt es jedoch, den Klassiker mit in Apfelessig eingelegten Senfkörnern zu veredeln, ihn wunderbar frisch und mit raffinierter Säure zu kredenzen. Natürlich trägt auch die hohe Produktqualität zum Gelingen bei. Langjährige Partner wie die Fischerei Leutasch, der Schotthof in Thaur oder der Bauernhof von Schauspieler Tobias Morretti versorgen das Sacher mit regionalen und saisonalen Lebensmitteln höchster Güte. „Locals“ sind auch die Flusskrebse, die der Küchenchef zu einem Schaumsüppchen veredelt, in dem mit den Krustentieren gefüllte, handgemachte Ravioli schwimmen. Für den Duft nach frischen Kräutern sorgt die Tiroler Bio-Kresse von Martin Appler aus Thaur, die Säure stammt bei diesem Teller vom Saft einer Grapefruit.
Beim Hauptgang beweist Küpferle Mut und wagt sich an eine Maispoularde, die er mit Wildem Brokkoli und mit Röstmandeln gefüllten Datteln auftragen lässt. Wer möchte, lässt sich dazu eine Cuvée aus Merlot, Zweigelt und Pinot Noir einschenken, die als „Sacher Edition“ vom Weingut Landauer in Rust im Burgenland abgefüllt wird. Vom selben Winzer stammt auch die Beerenauslese aus Weißburgunder und Welschriesling, die das Hauptdessert begleitet, das sich rund um die Erdbeere dreht. Wer ausgefallenere Tropfen genießen möchte, findet auf der umfangreichen Weinkarte jedoch auch Etiketten der fünf österreichischen Bâtonnage-Winzer oder die ikonische Cuvée „La Guillotine“ aus Grenache und Syrah aus der Provence.
Am Ende des Sechs-Gängers werden die Petit Fours in einer Holzkiste aufgetragen, in der sonst die berühmten Sacher-Torten auf Reisen gehen – eine schöne Hommage an die wohl berühmteste Torte der Welt. „Dass er mir aber keine Schand’ macht, heut’ Abend!“ Mit dieser Ermahnung von Fürst Metternich im Jahr 1832 begann deren Erfolgsgeschichte. Als am Hof des Fürsten ein Dessert kreiert werden sollte, sprang der 16-jährige Kocheleve Franz Sacher für den erkrankten Küchenchef ein. Und er schuf eine Kreation, die köstlicher nicht sein konnte. Wer noch Platz im Magen hat, kann diese natürlich auch im Sacher Seefeld genießen – am besten mit einer Portion ungesüßter Schlagsahne. Oder wie es in Österreich heißt: Schlagobers.
Das Klosterbräu ist eine Institution, die man nicht groß vorstellen muss. Der ehemalige Konvent mit dem 500 Jahre alten Weinkeller ist seit mehr als 200 Jahren im Besitz der Familie Seyrling, dessen aktuelles Oberhaupt Alois auch Obmann des Tourismusverbandes ist. Die Seyrings mit ihrem Fünf-Sterne-Haus im Zentrum von Seefeld gehören damit zweifellos zu den großen Hoteldynastien der Alpenrepublik. Und: Sie lassen sich ungern in eine Schublade pressen. Es gibt Stammgäste, die vor allem wegen des großzügigen Wellnessbereichs hier absteigen, in dem man sich am Zapfhahn der Hausbrauerei gratis selbst bedienen kann. Andere schätzen das Klosterbräu vor allem als Party-Location. In der „Kanne“, dem Pendant zur „Tenne“ in Kitzbühel, traten schon La Toya Jackson, Falco und Udo Jürgens auf. Andreas Gabalier sang vor 10.000 Fans auf dem Platz vor dem Hotel.
Am besten, man lässt sich von Gastgeber Alois Seyrling, traditionell in Lederhosen, bei einer Tour durch den Weinkeller in die Geschichte des Hauses mit seinen Anekdoten, Familiengeheimnissen und Mysterien einführen. Dabei lernt man, dass hier eben nicht nur Bier gebraut wird. So wurde ein ehemaliger Lagerraum für Kartoffeln und Kohle, der im Zweiten Weltkrieg als Safe diente, in dem das Tafelsilber versteckt wurde, vor einem Vierteljahrhundert zum Weinkeller umgebaut. Heute bietet das Kellergewölbe, in dem Hunderte von Kerzen für natürliche Wärme und gedämpftes Licht sorgen, einen perfekten Rahmen nicht nur für Weinverkostungen, sondern auch für ein Gourmet-Dinner samt Heiratsantrag.
Das Kuriose dabei: Das Klosterbräu macht um seine kulinarische Expertise nicht viel Aufhebens. Auf der Website liest man weder von G&M-Hauben noch von Falstaff-Gabeln. Und es wird auch nicht so ganz klar, wer in der Küche der Chef ist. Entsprechend neugierig geht es mit eingezogenem Kopf in die ehrwürdigen Katakomben zum Candlelight-Dinner, das auch externe Gäste für 150 Euro pro Person buchen können. Was dann folgt, ist ein wahres Feuerwerk an spannenden Gängen. Das auf Pumpernickel-Crumble angerichtete Gemüsebeet mit Kresse und geeistem Dill überzeugt mit ungewöhnlicher Textur, der Oktopus mit Tigermilch, Gelber Tomate und Koriander durch seine Zartheit und das perfekte Zusammenspiel der Zutaten. Ein Volltreffer ist auch das kalte Tomaten-Süppchen aus Andalusien namens Salmorejo, das mit einem mit gerösteter Cantaloupe-Melone belegtem Crostino gereicht wird. Ein säurearmer Riesling Federspiel Bergterrassen vom Wachau-Weingut Donaubaum sorgt dabei für das passende Pairing.
Weiter geht es mit Hummer (mit Kokosmilch und Süßkartoffeln) und Flank-Steak aus den Staaten, das leider etwas in der Sauce ertrinkt, bei dem aber der Mais im Popcorn-Stil für knackigen Spaß sorgt. Der dazu entkorkte Cabernet-Sauvignon Reserve von Salzl passt bestens dazu. Als der Bio-Brie mit Honig und Preiselbeere im Stil einer Creme Brulée aufgetragen wird, ist der Magen schon ganz schön voll. Doch für die Variationen von der Erdbeere mit weißer Valrhona, Mascarpone und Limette sowie für die Petit Fours muss noch Platz sein. Der Eiswein aus Grünem Veltliner von Türk sorgt dafür, dass dieses Menü bis zum Ende richtig Spaß macht.
Apropos Ende: Beim Hinausgehen respektive -wanken fragt man sich, warum das Klosterbräu das Thema Kulinarik nicht prominenter bespielt, wo es doch eine so famose Küche zu bieten hat. Die Antwort der Familie Seyring darauf überzeugt: Man habe das durchaus vor. Aber solange nicht alles perfekt sei, wolle man den Ball flach halten. Schön, dass es noch Adressen gibt, bei denen Selbstbewusstsein und Können nicht indirekt proportional zueinander sind!
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