Graue Wolken fegen über die Berge. Ich stelle mich dem Nieselregen entgegen und lausche, wie der Wind die Wellen gegen das Ufer treibt. Hinter mir, da fegt der Sturm die Wogen weiter, über die Wiesen, bis zu den Wäldern, über die Berge. Es ist eine raue Welt. Und wäre auf einem dieser Gipfel nicht ein gigantischer Sendemast zu erkennen, man könnte glauben, tatsächlich die schottischen Highlands zu durchwandern. Das Fjord, der Schliersee. Die Highlands, die Alpen. Der Gipfel, natürlich der Wendelstein. Und der Whisky? Von hier!
Adalung, Hiltupalt, Kerpalt, Antonius und Otakir haben einen weiten Weg hinter sich. Die fünf schottischen und irischen Mönche erkunden im Jahr 779 die Einöde an einem malerisch gelegenen See – und beschließen hier ein Kloster zu gründen. Slyrs soll es heißen. Dieses Kloster gibt erst über die Jahrhunderte dem See seinen heutigen Namen. Vielleicht ist es also gar kein Zufall, dass ich mich gerade heute an die archaische Natur des Nordens erinnere. Und sicher ist es auch kein Zufall, dass man hier mittlerweile auch einen ganz besonderen Whisky herstellt: SLYRS!
Erstmals wurde Whisky am Schliersee 1999 destilliert, doch auch diese Geschichte trägt lange Wurzeln: Amelie und Josef Lantenhammer gründeten hier bereits 1928 eine Enzianbrennerei. Florian Stetter betritt dagegen erst 1994 die Bühne. Während einer Reise nach Schottland erkennt der Destillateurmeister die Parallelen dieser beiden Regionen: Klarstes Wasser. Reine Luft. Berge und Natur. Dazu kommt die bisweilen herausfordernde Sturheit der Schotten, die ihm sehr bayrisch anmutet, ein schwierig auszusprechender Dialekt und ein ausgeprägter Hang zur Freistaaterei. Selbst die schottische Nationaltracht, der Kilt, kommt ihm ähnlich eigentümlich vor wie die bayrische Lederhose. Und so lebt die Vision auf. Ein zweites Mal. Nach den Pionieren von 779, verknüpft nun Stetter im Jahr 1999 ein zweites Mal Bayern mit den Highlands – und brennt den ersten Whisky. 25 Jahre später prangen über meinem Kopf die fünf Buchstaben in Übergröße am schicken Hauptgebäude der Destillerie.
Wie ich durch die Erlebnisdestillerie schlendere, steigt mir ein eigenartiger Geruch in die Nase. Anfangs kann ich diesen nur schwer zuordnen – besonders weil ich Whisky sonst eher meide. Doch schnell merke ich, dass hier nicht nur Kenner und Könner auf ihre Kosten kommen. Man muss Whisky nicht einmal mögen, um sich von seiner Seele berühren zu lassen. Killian Jonscher, selbst Destillateur und Destillat-Sommelier, führt mich durch die beeindruckende Eingangshalle, hin zum Herz des Hauses.
Kupferne Brennblasen. Silberne Tanks. Ach, und natürlich ein Team, dass hier mit Elan und Begeisterung am perfekten Whisky arbeitet. Die Stimmung ist ausgesprochen gut. Hippe Jungs und Mädels. Tätowierte Unterarme. Spaß und Freude bei der Arbeit. Klösterliche Strenge sucht man hier vergeblich.
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