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Vom Ballermann zum Monte Carlo der Alpen?

Dez. 10, 2020

Ischgl ist seit langem nicht nur für seine Erlebniswelt des Entertainment bekannt, sondern ist stolz auf seine kulinarischen Highlights und das außergewöhnliche Skifahrerlebnis im weitläufigen bis in das Schweizer Samnaun reichenden, modernen Top-Skigebiet mit einer täglich präparierten Pistenfläche von 500 Hektar. In punkto Kulinarik ist der bekannte Ski-Ort mit 25 Hauben von Gault&Millau in neun Restaurants ist der bekannte Ski-Ort tatsächlich ein Mekka für Feinschmecker.

So ein Schlemmer-Abend in der „Paznauner Stube“ des Hotels Trofana Royal fühlte sich im letzten Winter noch an wie unter einer Käseglocke, wie in einem Elfenbeinturm: weit weg von der realen Welt da draußen im Aprés-Ski-Getümmel. Während mein Messer in das rosa gebratene Rehfilet fährt, das so zart ist, dass man eigentlich gar kein Schneidewerkzeug bräuchte, wurde im Kuhstall gefeiert.

Als Küchenchef Martin Sieberer auf einen kurzen Plausch vorbeikommt, gibt es begeisterten Applaus für ihn. Seit 1998 zeichnen die Tester von Gault&Millau seine Kreationen ohne Unterbrechung mit Bestnoten aus, er war Österreichs Koch des Jahres 2000. Er weiß, was er kann, verlässt sich ganz auf den Eigengeschmack seiner Zutaten, ohne viel Chichi. Er hat damit einen Küchenstil geschaffen, der Maßstäbe setzt, er muss und will nicht mit den „Jungen Wilden“ wie Benny Parth konkurrieren. Sein Sommelier hat Zugriff auf 25.000 Flaschen Wein von allen Kontinenten, die die Sammlung der Familie von der Thannen, der das Hotel Trofana Royal gehört, zu einer der führenden des Landes machen. Am Ende des Marathon-Menüs kommt noch der Wagen mit den selbstgemachten Pralinés und handgeschöpften Schokoladen. 

Jetzt also Gourmet. Kulinarische Grenzgänge statt Schmuggler-Grenzgänge auf Skiern? Kann das gut gehen? Ist es nicht so, dass Skigebiete heutzutage vor allem dann gut „performen“, wenn sie eine klare „USP“, ein Alleinstellungsmerkmal entwickeln? Fiss-Ladis-Serfaus steht für Familien-Skiurlaub, St. Anton fürs Freeriden, Alta Badia für Gourmet, Ischgl eben für Entertainment. Nun, wer so angsthasen-mäßige Bedenkenträger-Fragen stellt, hat noch nicht begriffen, wie die Marke Ischgl funktioniert. Hat noch nicht kapiert, wie Tourismuschef Andi Steibl tickt. Dessen ultimativer Alptraum sieht so aus: Er lässt Helene Fischer beim Saisonfinale auf der Idalpe auftreten, was ja durchaus ein gewagter Zug ist, wenn man bedenkt, dass die Blondine beim DFB-Pokalendspiel in Berlin gnadenlos ausgepfiffen wurde und in Ischgl schon Größen wie Elton John, Rihanna und Katy Perry vor ihr sangen. Und dann … berichtet keiner darüber! Nichts, nada, keine positive Konzertkritik, kein Verriss, kein ganzseitiger Bericht in der „Bunten“ über den Zickenkrieg zwischen Andrea Berg (die damals zum Saisonauftakt trällerte) und der Fischer! DAS wäre wirklich ein Gau für den Steibl Andi. Er würde schweißgebadet aufwachen und sich fragen, was er nur falsch gemacht hat. Solange aber seine Ideen in den Medien vorkommen, ist alles gut.

Steibl blieb der Alptraum natürlich erspart, seine Rechnung ging mal wieder auf: Volles Haus beim Opening mit der Berg. Und die 20.000 Karten für die Fischer zum Finale im April waren schon im Dezember ausverkauft. Bingo! Über die Erfolgsformel des Tourismusprofis mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung wurde schon viel spekuliert. Vermutlich ist es einfach nur so: Er lebt die „Brand“ Ischgl selbst wie kein anderer. 

So hybrid sind eben auch die Ischgl-Gäste: Deshalb geht die Rechnung, die Destination Ischgl jetzt eben auch – aber nicht nur – als Gourmet-Ziel zu verkaufen, durchaus auf. Außerdem: Entscheidend ist das Gesamtpaket, das er Touristen anbietet. Man wird mit neuen Angeboten geradezu bombardiert, im Tal und am Berg.

Ischgl ist wild entschlossen, den Ischgl-Gästen immer neue Superlative zu bieten und investieren in Aufstiegshilfen mit beheizten Sitzen, flächendeckendes WLAN und neue Pisten. Die Gondel zum Piz Val Gronda erschließt etwa ein äußerst abwechslungsreiches Freeride-Gebiet. Die Schmuggler-Touren sind alle perfekt ausgeschildert, die steile und anspruchsvolle Piste 14a ein Hochgenuss für sportliche Fahrer. Wer am Ende des Tages keine Lust auf eine überfüllte und möglicherweise eisige Talabfahrt hat, hängt sich in die Drahtseilrutsche „Skyfly“ und rast an ein Seil angeschnallt mit bis zu 85 Stundenkilometern ins Tal, 50 Meter über dem Boden schwebend. Macht 39 Euro extra, aber was soll’s, dafür kann man Fotos von Ischgl auf Facebook posten und nicht etwa ein Selfie aus dem Schwarzwald.

Mehr als 420 Millionen Euro hat allein die Silvretta-Seibahn AG in den vergangenen 15 Jahren investiert. Hinzu kommen weitere Ausgaben der Ischgler für Straßen mit Lawinenverbauungen, eine Tunnelröhre unter dem Ort, Parkhäuser, neue Herbergen, die meisten davon im Vier- bis Fünf-Sterne-Segment. Die Seilbahngesellschaft wurde zu einer Aktiengesellschaft, Anteilseigner sind vor allem die ansässigen Hoteliers. Die Einwohner haben ein gesundes Selbstbewusstsein entwickelt, das sich aus dem Wissen nährt, ziemlich viel ziemlich richtig gemacht zu haben. Der kommende Winter wird eine Herausforderung werden und wird zeigen, ob es dann irgendwann auch wieder Groß-Events geben darf, für die Ischgl bekannt und berühmt ist.

Die Tiroler füllen die „Wer-hat‘s-erfunden?“-Lücke mit der großen Bandbreite ihres Angebots auf: Der „Gault&Millau“-Führer 2020 verteilte gleich 25 Hauben an neun Ischgler Restaurants (siehe Info-Kasten). Inzwischen ist die gehobene Küche auch auf dem Berg angekommen: Im „Alpenhaus“ auf der Idalp befindet sich im ersten Stock der „Lounge & Mountain VIP Club“, wo sich das Küchenteam um Christian Törf neuerdings ebenfalls über eine Haube und 11,5 Punkte freuen darf. Die „Symphonie von der Gänseleber“ (30 Euro) zur Vorspeise und das „Tomahawk Steak vom Iberico-Schwein“ (45 Euro) als Hauptgang könnten so auch in Lech auf der Karte stehen. Von Party und Pflümli ist man in dieser Oase der Ruhe und des guten Geschmacks schon ziemlich weit weg. 

Ein echter Klassiker mit Tradition war indes der „Sterne-Cup der Köche“, bei dem renommierte Küchenchefs aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol zum Traditions-Duell auf der Idalp antraten, um einen Zweikampf aus Riesenslalom und kulinarischer Prüfung zu bestehen. Der Cup war eingebettet in die „Kulinarische Rennwoche“, die jedes Jahr im April stieg. Einmal mehr zündete der Ort dann ein Event-Feuerwerk mit Hüttenabenden und der „Nacht der Köche“. Leider wird es diese Veranstaltung im Winter 2020/21 aufgrund der Pandemie nicht mehr geben.

Steibl Andreas scheint es also durchaus ernst zu meinen mit seinem mehr Ibiza, weniger Ballermann, mehr Qualität, weniger lautes Après-Ski. Gut ins Bild passt da, dass es in Ischgl seit einigen Wintern zwischen 20 Uhr abends und sechs Uhr morgens verboten ist, in Skischuhen durch den Ort zu gehen. Nachtschwärmer auf Hartschalen seien eine Gefahr für sich selbst und andere, so der Gemeinderat. Man könne ausrutschen. Außerdem sei das laute Klopfen der Hartschalentreter eine Lärmbelästigung für viele Feriengäste. Auch Skier, Skistöcke und Snowboards wurden nachts von den Straßen verbannt. Wegen der auf der Schulter getragenen Ausrüstung sei es immer wieder zu Blechschäden an geparkten Autos und zu Verletzungen gekommen. Wer das neue Dekret ignoriert, riskiert eine saftige Geldbuße von bis zu 2.000 Euro. Man habe bereits einige „Täter“ gestellt, heißt es beim Tourismusverband. Die seien aber mit einem blauen Auge und 25 Euro Strafe davongekommen. Man wolle sie ja nicht dauerhaft vergraulen. Und überhaupt lege man das Verbot großzügig aus: Maximal zehn Meter zwischen Après-Ski-Bar und Auto oder Hotel bleiben auch mit Skischuhen straffrei. 

Ein Riesenfehler wäre es sicher, die Ischgler nach den Ereignissen im März abzuschreiben. Die Talbewohner haben hier und im benachbarten Galtür schon schlimme Lawinenkatastrophen überstanden – und werden deshalb auch diese Phase überbrücken. Der Ort ist noch aus jeder Krise gestärkt hervorgegangen und hat seine offensive Tourismus-Strategie bei Bedarf stets angepasst. Am besten, man fährt einmal hin und macht sich selbst ein Bild. Seien Sie auf Überraschungen gefasst!

Text: Günter Kast
Fotos: TVB Paznaun-Ischgl


Mehr Ski und Sport, mehr Sicherheit, weniger Party

Diesen Winter will das Tiroler Paznaun Vorreiter in Sachen Sicherheit, Gesundheit und Hygiene sein. Die Verantwortlichen haben dafür ein umfangreiches Paket an Maßnahmen erarbeitet. Unter anderem werden alle Seilbahnkabinen, Busse, Shops, WCs, Aufzüge, Erste-Hilfe-Stationen und Ski-Depots mit Kaltvernebelungsgeräten regelmäßig desinfiziert. Das soll 99,99 Prozent aller Viren, Bakterien und Sporen ausmerzen. 

Gäste müssen in Liften, Bahnen und an neuralgischen Punkten wie zum Beispiel Engpässen auch im Freien einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Hierfür liegen 600.000 Multifunktionstücher bereit, die man beim Kauf eines Skipasses gratis erhält. Ganz generell will Ischgl künftig weniger auf Party-Tourismus setzen. Après-Ski wird es diesen Winter in der gewohnten Form nicht mehr geben. Gesetzliche Vorgaben regeln klar, dass Speisen und Getränke in der Gastronomie und Bars nur am eingenommenen Sitzplatz konsumiert werden dürfen. Das gilt sowohl im Indoor- als auch im Outdoorbereich.

Der Zugang zu den Verpflegungs-Betrieben am Berg wird limitiert, so dass Mindestabstände leicht eingehalten werden können. Anstehbereiche werden so organisiert, dass größere Menschenansammlungen möglichst vermieden werden. Nicht begrenzt werden soll hingegen die Gesamtzahl der Gäste im Skigebiet. In den Seilbahnkabinen oder den Sesselbahnen ist eine Reduzierung der höchstzulässigen Personenanzahl rechtlich nicht verpflichtend, von einer Ausnutzung der erlaubten Kapazitäten wird man bei entsprechend geringem Fahrgastaufkommen aber absehen.

Groß-Events wie das „Top of the Mountain“-Konzert zum Saisonauftakt fallen aus. Zu Beginn der Saison, sprich vor der erstmaligen Aufnahme ihrer Tätigkeit, werden alle Mitarbeiter der Silvrettaseilbahn AG auf Covid-19 getestet. Außerdem wird die Körpertemperatur der Mitarbeiter täglich vor Arbeitsbeginn gemessen, um bei Fieberverdacht sofort handeln zu können. Während der Wintersaison besteht für alle Tourismusmitarbeiter eine laufende Testmöglichkeit vor Ort, um sowohl Gäste als auch Arbeitskollegen bestmöglich zu schützen. 

Den Gästen empfiehlt man bereits beim Check-In einen negativen Covid-19 Test vorzulegen. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit sich bei der örtlichen Gäste-Screeningstation täglich freiwillig testen zu lassen. Beim Check-in findet noch ein Fieber-Check in der gebuchten Unterkunft statt und ein kurzer Fragebogen ist zu beantworten. Den Gästen wird auch empfohlen die Stopp-Corona-App zu nutzen, um sich selbst und seine Mitmenschen zu schützen. Zusätzlich setzt das ganze Bundesland Tirol auf Abwasser-Monitoring. Kontinuierliche Abwasser-Tests sollen potenzielle Infektionsherde frühzeitig aufspüren.


So fein mundet Ischgl – alle Hauben-Restaurants im Überblick

Der Gourmetführer „Gault&Millau 2020“ brachte neben einem neuen Bewertungsschema einen wahren Hauben-Segen für Ischgl. Die neun Top-Restaurants erreichten insgesamt 25 Hauben, vier Betriebe wurden mit jeweils vier (von jetzt fünf möglichen) Hauben geadelt. Benjamin Parth, der erst 31-jährige Shootingstar und seines Zeichens „Gault&Millau Koch des Jahres 2019“ stieg mit seinem Gourmetrestaurant Stüva zur Nummer 2 Tirols auf (18,5 Punkte, vier 4 Hauben). Er gehört somit zum Spitzenfeld jener 13 Köche Österreichs, die mit 18,5 oder 19 Punkten glänzen.

Unter den weiteren Vier-Hauben-Restaurants aus Ischgl finden sich die Paznaunerstube von Martin Sieberer, die Schlossherrnstube von Gustav Jantscher (jeweils 18 Punkte) sowie das Stiar von Gunther Döberl (17 Punkte). Mit drei Hauben wurden das Fliana Gourmet (15,5 Punkte) sowie Sieberer’s Heimatbühne (15 Punkte) ausgezeichnet, je eine Haube erkochten das Lucy Wang (12,5 Punkte) und die Weinstube (12 Punkte) sowie – als Neueinsteiger – das Alpenhaus auf der Idalp mit 11,5 Punkten.

Die Bewertungen der Ischgler Top-Restaurants im Detail:

Stüva
Benjamin Parth
18,5 Punkte, 4 Hauben

Paznauerstube
Martin Sieberer
18 Punkte, 4 Hauben

Schlossherrnstube
Gustav Jantscher
18 Punkte, 4 Hauben

Stiar
Gunther Döberl
17 Punkte, 4 Hauben

Fliana Gourmet
Andreas Spitzer
15,5 Punkte, 3 Hauben

Heimatbühne
Martin Sieberer
15 Punkte, 3 Hauben

Lucy Wang
Raphael Herzog
12,5 Punkte, 1 Haube

Weinstube
René Schettulat
12 Punkte, 1 Haube

Alpenhaus
Christian Törf
11,5 Punkte, 1 Haube


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