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Raum schaffen

Wohnraum ist heute viel mehr als nur die eigenen vier Wände. Er ist Rückzugsort, Ruheoase im Stadtgewimmel oder Zivilisationsvorposten in der Wildnis. Ganz egal ob Eremit oder Städter, ob man nun noch immer wohnt oder schon lebt: Die Gründe neuen Wohnraum zu erschließen liegen auf der Hand. Und wie so oft, da führt ein Weg über die Berge.

Da wohnen, wo andere Urlaub machen
Ja, die Alpen sind schön, Urlaubsziel von rund 100 Millionen Touristen jährlich. Das größte und höchste Hochgebirge, das zur Gänze auf europäischem Boden liegt, ist mehr als 1000 Kilometer lang und stellenweise 250 Kilometer breit. Und überall verströmt es seinen ganz eigenen Charme: Rauhe Landschaft, romantisch schön oder schrecklich düster und manchmal sogar all das in nur einem Augenblick. 

Hier wirklich wohnen zu wollen ist nicht vergleichbar mit einem Kurzurlaub in den Touristen-Hotspots. In den Bergen zu wohnen, verlangt von uns Menschen vieles ab. Und bevor gebaut, eingezogen und gelebt werden kann, da wird getüftelt, erfunden und geplant. Schließlich soll nachhaltiger, umweltschonender und dennoch leistbarer Wohnraum geschaffen werden. Keine einfache Aufgabe, doch ein Familienunternehmen aus Kärnten hat sich die Lösung dieses Problems auf die Fahnen geschrieben.

Weissenseer
Die Firma Weissenseer Holz-System-Bau GmbH (WHSB) ist eines der weltmarktführenden Unternehmen in der Fertigung von energieeffizienten Gebäudehüllen in Holzbauweise und Passivhäusern. Das innovative Unternehmen mit Sitz in Greifenburg wurde vom Großvater des heutigen geschäftsführenden Gesellschafters Christof Weissenseer gegründet. Seit rund 100 Jahren dreht sich hier alles um ökologische Bauweisen.

Die WHSB erzielt einen Großteil ihres Umsatzes mit der Planung, Fertigung und Errichtung von Gebäuden in Passivhaus-Standard. Unverzichtbar dafür ist ein über Generationen übermitteltes fundiertes Wissen über den Baustoff Holz. Forschung und Entwicklung im Bereich modernster Umwelttechnologien vervollständigen das heutige Know-how. Die Kernkompetenz des Unternehmens ist demnach unter anderem die Passivhausherstellung, die die Bereiche Einfamilienhäuser, Wohn- und Bürobauten umfasst.

Besondere Aufmerksamkeit aber sind den Bauwerken im alpinen Gelände zu schenken. Ob im Tal, zwischen steilen Bergflanken, auf abschüssigen Hängen oder sogar ganz oben auf den Gipfeln: Weissenseer findet und erfindet clevere Lösungen für umweltbewusstes Leben im sensiblen Naturraum der Alpen. 

Aktiv passiv
Passivhäuser sind nach einem ausgeklügelten Konzept errichtete Gebäude. Sie verbrauchen nur einen kleinen Bruchteil der sonst nötigen Heizwärme. Eine effiziente Wärmedämmung bei Außenwänden, Dach und Fenstern und eine damit verbundene, signifikante Energieeinsparung zeichnen Passivhäuser aus. Um das zu erreichen, ist Innovation und Ideenreichtum gefragt. Denn auch wenn der Gedanke nicht neu ist, so ändern sich ständig Anforderungen, Standards und Umgebungsverhältnisse. 

Passivhäuser sind enorm von der Sonneinstrahlung abhängig. Im Alpenraum, besonders in seinen engen Tälern ist aber diese Wärme oft Mangelware. Dunkle Wintermonate erfordern hier ein Umdenken, damit ein Passivhaus auch dauerhaft passiv bleiben kann. Eine Möglichkeit ein Maximum der Sonnenenergie einzufangen, ist ein ständig neues Ausrichten besonders der Fensterfronten. Diese Idee ist nicht neu und wird bei Photovoltaikanlagen schon lange genutzt. Ein ganzes Haus zu drehen ist aber eine ganz andere Herausforderung. Die von der Firma Weissenseer entwickelte Möglichkeit, ein Wohnhaus ständig der Sonne entgegenzudrehen und dabei auch noch den wohl niedrigsten Reibungswiderstand überhaupt zu erreichen, ist so simpel wie genial. Denn das Haus schwimmt. Es treibt geradezu der essentiellen Solarenergie entgegen und benötigt dafür nur ein Minimum an Energie. Ähnlich einer Sonnenblume wird das Haus aktiv. Und somit passiv. Die Gebäudehülle, eine neue hochwärmedämmende Holzleichtbauweise, kombiniert mit  Photovoltaik- und Solartechnik, Wasseraufbereitung und Energiespeicherung, treibt den Gedanken weiter an, einen völlig autarken Wohnraum zu schaffen.

Zwischen Kühen und Glocken
Trebesing im Liesertal, unweit des Millstätter Sees. Am Fuße des 2500 Meter hohen Gmeinecks zieht ein kantiger Bau inmitten einer steilen Kuhweide die Blicke auf sich. Der Bau schmiegt sich geschickt an die Bergflanke, die mit 16° Hangneigung einen stark abschüssigen Bauplatz bot. Das Gebäude wird sogar selbst zum Hang, denn im Inneren ist die alpine Topografie allgegenwärtig. 

70 Quadratmeter Wohnfläche, aufgesetzt auf Stahlträgern, mit einer großzügigen Terrasse, die über die Wiese hinausragt. Anfangs leuchtete die unbehandelte Lärchenholzverschalung noch hell. Jahr für Jahr wird die kräftige Farbe aber mehr verblassen, bis eine silbergraue Patina das heimische Holz überziehen wird. So wird sich das Gebäude noch besser in das ländliche Umgebungsbild einfügen und kaum mehr von den alten Scheunen und Ställen der Nachbargrundstücke zu unterscheiden sein.

Der Hang, auf dem das sogenannte Kuhwiesenhanghaus steht, dient in den Sommermonaten noch immer als Kuhweide. Durch die Stahlträgerkonstruktion musste nur minimal in den Baugrund eingegriffen werden, der als Heilquellenschutzgebiet besonders geschont werden sollte. Der Wohnkörper verjüngt sich, ähnlich wie der Berg selbst, je weiter er sich den Hang hinaufzieht und weitet sich talwärts, wo er in riesigen Fensterfronten endet, die eine weite Aussicht zulassen. Im oberen Teil findet sich ein Schlafraum, sowie der Eingangsbereich. Weiter unten trifft man zuerst auf die Küche, gefolgt vom Ess- und Wohnbereich. Eine recycelte Dämmung, hergestellt aus Zellulosefasern, hält die Wärme der Infrarot-Heizung zuverlässig im Inneren. Eine CO2-freie Art der Gebäudeheizung.

Die Architekten Ingrid Burgstaller und Michael Gebhard von morpho-logic entwarfen mit dem Kuhwiesenhanghaus ihr ganz eigenes Refugium. Ein Wohnraum, nicht auf den Berg gebaut, sondern gefühlvoll mit ihm geschaffen. Nachhaltig und umweltfreundlich.

Ganz oben

2166 Meter ragt der Dobratsch in den Himmel über Kärnten hinauf. Der gleichnamige Naturpark erstreckt sich auf über 8200 Hektar über Wald- und Gebirgslandschaft. Schon im Jahr 1810 wurde erstmals auf dem Gipfel des Dobratsch eine Schutzhütte errichtet. Seitdem in Besitz der Sektion Villach des ÖAV, erfolgte am 10. Juli 2010 der Spatenstich für einen Neubau. Natürlich sollte das Gebäude hochgedämmt gegen thermische Verluste entworfen werden, wobei es gleichzeitig dank der exponierten Lage aber auch passive und aktive Sonnenenergie optimal nutzen kann. Und sogar alle Abwässer des Hauses, das ebenfalls von Weissenseer errichtet wurde, werden heute über eine Bio-Kläranlage aufbereitet. 

Seit 2010 ist das Passivhaus in Betrieb und erfreut sich bei Wanderern, die das Gipfelhaus in etwa anderthalb Stunden vom Tal aus erreichen können, großer Beliebtheit. Das ist Nachhaltigkeit auf wahrlich höchstem Niveau!

Christof Weissenseer, CEO der Firma, macht Ernst. Ein bewusstes und selbstbewusstes Eintreten für Umwelt- und Klimaschutz sind für ihn wichtige Bausteine. Aus Verantwortung für die Zukunft setzt er auf ökologieorientierte Forschung und Entwicklung. 

Das setzt nicht nur die Verwendung regionaler und umweltfreundlicher Baustoffe voraus, sondern auch ein fundamentales Umdenken. Modulare Bauweise, neuste Technologie und durchdachte Systeme und Konzepte. So ermöglichen in den Holzkonstruktionen integrierte Dämmebenen geringere Wandstärken als vergleichbare Massivwände. Mehr Nutzfläche bei gleicher Außenabmessung wird somit gewonnen. Im Sommer kühl, im Winter warm – das richtige Wohlfühlklima für jede Jahreszeit. 

Ab diesem Jahr ist bei allen neu errichteten Gebäuden in Europa der Energiestandard von Passivhäusern verpflichtend einzuhalten. Deshalb und weil Energieeffizienz und ökologische Aspekte von Jahr zu Jahr wichtiger werden, erfüllt Weissenseer diese Anforderungen schon lange. Der Bau der Gebäude ist dabei vergleichsweise simpel. Die vorgefertigten Teile müssen auf der Baustelle schließlich nur noch zusammengefügt werden. 

Holz ist langlebiger als oft angenommen wird. Es wächst nach, bindet und speichert das gefährliche Treibhausgas Kohlendioxid. Es dämmt außerordentlich gut, ist einfach und schnell zu verarbeiten und voll recyclefähig. Wer Wohnräume aus Holz schafft, handelt zukunftsorientiert, verantwortungsvoll und zielorientiert. Denn so entsteht nicht nur Raum zum Wohnen, sondern auch ein weiterer, wichtiger Raum wird geschaffen: Der unserer Zukunft!

Autor: Benni Sauer

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