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Ziemlich gute Freunde

Andreas Döllerer aus Golling bei Salzburg ist einer der besten Köche Österreichs. Sein Spezl Walter Grüll, leidenschaftlicher Fischzüchter und erster Kaviar-Produzent der Alpenrepublik, liefert ihm die hochwertigsten und frischesten Zutaten.

Walter Grüll mit gelb-weißem Kaviar vom Albino-Stör, dem teuersten Lebensmittel der Welt: 50 Gramm kosten stolze 750 Euro.

Wer im kleinen Ort Grödig bei Salzburg durch das eher trostlose Gewerbegebiet fährt, würde hier keine kulinarischen Sensationen erwarten. Gourmets wissen jedoch genau, welche Adresse sie ansteuern müssen: Ausgerechnet eine ehemalige Metzgerei ist das Reich von Österreichs bekanntestem Fischhändler Walter Grüll. In seinem kleinen Lokal mit der prall gefüllten Theke kann man eine wunderbar frische Fischplatte für läppische 18 Euro ordern. Und das Warten auf den Gaumenschmaus versüßen, indem man sich vom Chef dessen Schätze zeigen lässt: In den Süßwasserbecken im Hof tummeln sich neben Saiblingen und Forellen auch Huchen und seltene Marmoratas. In Grülls Austernbecken wohnen Fin de Claires, Irische Felsenaustern, Sylter Royal, Belon und Gillardeau. Die aggressiven Hummer aus Maine hält er in »Einzelzimmern«.

Er weiß, was er kann: Andreas Döllerer hat mit der von ihm kreierten „Cuisine Alpine“ neue Maßstäbe gesetzt, wenn es um den Einsatz regionaler Produkte geht.

Aber Vorsicht! Die Fischplatte könnte kalt werden, wenn man mit Flossenträger-Fan Grüll ins Fachsimpeln kommt. Tatsächlich ist er nämlich ein Besessener, der schon im zarten Alter von zwölf Jahren im Keller der Eltern begann, seine ersten Fische zu züchten. Später machte er ein Geschäft daraus, fuhr zu Spitzenzeiten jährlich 70 Tonnen frischen Fisch und Meeresgetier an Gastronomen im ganzen Land aus. Dann entdeckte er den Kaviar. Oder besser: Er roch als einer der ersten Europäer das lukrative Geschäft mit Fischrogen aus eigener Zucht. Aber was heißt schon lukrativ? Es dauert 16 Jahre, bis er seine Störe – er züchtet zehn verschiedene Arten – töten und ihnen die wertvollen Eier entnehmen kann. Grüll nimmt sich diese Zeit gerne. Denn nur so entsteht Qualität. Anders als bei den Chinesen, die das schwarze Gold oft schon nach vier bis fünf Jahren »ernten«. Wer möchte, bekommt vom vielfach prämierten Meister sogar weiß-gelben Kaviar vom sehr seltenen Albino-Stör, 15.000 Euro das Kilo. Am gefragtesten ist jedoch das schwarze Gold vom Sibirischen Stör, mit 1.400 Euro pro Kilo fast schon ein Schnäppchen.

Störe liefern das „Schwarze Gold“ – Walter Grüll züchtet zehn verschiedene Arten dieser Fische, die die Erde schon seit Urzeiten bevölkern.

Zu Grülls Kunden gehören jedoch nicht nur Oligarchen aus Russland und Neureiche aus China, sondern auch Feinschmecker und Gastronomen aus der Nachbarschaft. Einer, der mit Unterwasser-Papst Grüll besonders gut kann, ist Andreas Döllerer aus dem keine zehn Autominuten entfernten Golling an der Salzach. Den von Gault-Millau mit 18,5 Punkten und vier von fünf Hauben dekorierten und mehrmals als »Koch des Jahres« ausgezeichneten Küchenchef vorzustellen, hieße Perlen – pardon: Kaviar vor die Säue zu werfen. In seinem »Genießer-Restaurant« bringt er die von ihm
kreierte »Cuisine Alpine« zur wahren Meisterschaft. Für sein »Göll-Überquerung« genanntes Sieben-Gänge-Menü verwendet er ausschließlich allerfeinste, naturbelassene Zutaten aus den Alpenländern, am liebsten aus der Region. Seefisch und Meeresfrüchte sind deshalb tabu. Döllerers »Alpine Jakobsmuschel«, täuschend »echt« im Erscheinungsbild, ist eine Scheibe Ochsenmark vom Angusrind, mit einer Creme aus Eigelb, zwölf Stunden bei minus zwölf Grad gekühlt. Für seinen »Gletscherschliff« verarbeitet er Gesteinsmehl vom Großglockner zu einem Salzteig, in dem Fenchel gebacken wird. Auf dem Teller wird der heiße Fenchel mit dampfendem Gletschereis – in Stickstoff gefrostetem Sauerrahmeis – serviert.

Kaviar sollte man möglichst pur genießen, rät Walter Grüll. Erlaubt sind allenfalls Bliný, Schmand und etwas Petersilie.

„Es geht um mehr als das bloße Verwenden regionaler Produkte“, erklärt der Spitzenkoch. „Ich wollte ein Statement setzen und die alpine Küche in all ihren Facetten vorzeigbar machen. Meine Gäste sollen sich auf eine kulinarische Wanderung durch die Alpen aufmachen, bei der wir traditionelle Gerichte mit neuen Kreationen verbinden.“ Sein Amuse-Bouche-Arrangement, bei dem eine Geschmacksüberraschung die nächste jagt, heißt folgerichtig »Alpine Bäume & Sträucher«, der »Rausschmeißer« nach Käse und Dessert »Alpine Wildfrüchte«. Die enge Beziehung zu den Lieferanten aus der Region sei dabei stets die DNA der »Cuisine Alpine«. Und da kommt Döllerers Freund ins Spiel. Weil Walter Grüll den Kaviar eben nicht aus China importiert, sondern seine Störe in speziell angelegten Naturteichen mit Bergwasser die natürlichen Temperaturunterschiede der Jahreszeiten erleben lässt, findet der Haubenkoch das Produkt ehrlich und wertig und integriert es gern in sein Menü: Auf dem zweiten Teller der »Göll-Überquerung« präsentiert er deshalb »Spargel, Erdäpfel & Ochsenmark mit Kaviar von Walter Grüll und Bärlauch«. Wer den »alpinen Luxus« noch puristischer verkosten will, dem serviert das Genießer-Restaurant-Team die schwarzen Perlen mit Blattkrapfen, Sauerkraut, Sauerrahm und Eigel, dazu einen Champagner Krug Grand Cuvée. Darf es zum Nachspülen ein eisgekühlter Kaviar-Wodka sein? Auch der findet sich auf der Karte und ist, natürlich, ebenfalls eine Idee von Grüll.

So serviert Andreas Döllerer in seinem Genießerrestaurant den Kaviar seines Freundes.

Wer nun denkt, beim Döllerer geht es elitär zu, der täuscht sich gewaltig. Man muss dazu wissen: Das Genießer-Restaurant hängt nicht im luftleeren Raum, sondern ist eingebettet in eine 111-jährige Familientradition. Am Anfang war die legendäre Fleischhauerei, wie man in Österreich die Metzgerei nennt. Dann kamen das urige Wirtshaus, das kleine, aber feine Hotel, der Weinhandel, der Delikatessen-Versand, die Festspiele dazu. Rund 20 Döllerers aus drei Generationen widmen sich hier hingebungsvoll den Themen Genusswelten und Leibeswohl – ein richtiges kleines Imperium ist da entstanden.

„Muas“ heißt dieses einfache, aber feine Gericht, das in Döllerers Wirtshaus auf den Tisch kommt.

Hotelgäste frühstücken morgens im Wirtshaus an rustikalen Holztischen unter einem historischen Steingewölbe. Fleisch- und Wurstwaren sowie Käse und andere Leckereien holen sie sich nebenan in der Metzgerei – frischer geht es nicht! Sabine Döllerer, Andreas‘ Schwägerin, hatte die Idee dazu. Sie sagt: „Wir verkaufen eben nicht nur Lebensmittel, sondern Erlebnis-Mittel.“ Am Abend ist das Wirtshaus dann Treffpunkt für Einheimische und Urlaubsgäste gleichermaßen. Unkompliziert und ursprünglich ist die Küche, aber eben doch auf Zwei-Hauben-Niveau. „Es gibt nur eine einzige Küchenbrigade für unsere beiden Lokale“, sagt Andreas Döllerer. „Wir machen das ganz bewusst so. Alle im Team müssen die klassische österreichische Küche beherrschen. Da erschrickt ein Bewerber schon mal, wenn er ein Beuschel zubereiten muss.“

Wem so ein Innereien-Ragout doch etwas zu rustikal ist, der ordert zum Auftakt eine kräftige, klare Rindssuppe, angereichert mit dreierlei Einlagen: Brätstrudel, Grießnockerl und Speckknödel. Danach wird es schwierig. Denn Kenner bestellen als Zwischengang »Döllerers Frische«, eine weiße Kalbswurst, die ihr Münchner Pendant ziemlich blass aussehen lässt, und zu der ein Glas Champagner bestens passt. Leider ist dann kaum noch Platz im Magen für die Hauptgerichte. Was aber schade wäre, denn der Genusspatron des Tennengaus beweist, dass auch ein saftiges Gulasch oder ein goldenes Wiener Schnitzel ganz große Klasse haben kann, wenn es in Döllerers gehobener Wirtshausküche serviert wird. Selbstverständlich gibt es dazu selbst eingemachte Preiselbeeren. Wer danach noch einen politisch herrlich unkorrekten Mohr im Hemd schafft, darf durchaus ein bisschen stolz auf sich sein.

Das Genießerrestaurant erstrahlt seit kurzem in neuem Glanz: Das Interior Design stammt wieder von Johanna und Michael Atzenhofer von ARCHITECT AND FRIENDS.

Beim Hinausrollen aus dem Wirtshaus kann es dann durchaus sein, dass sich am riesigen Familien-Esstisch in der Lobby, gleich neben der Rezeption, Sabine und Raimund Döllerer von den Kochkünsten des Bruders, respektive Schwagers verwöhnen lassen. Die beiden managen gemeinsam mit Bruder Christian den Wein- und Delikatessenhandel im keine zwei Kilometer entfernten Kuchl. Rund 450.000 Flaschen lagern dort und laden zu Verkostungen ein. Die Etikettenliste gilt wegen ihrer Tiefe und Breite als eine der Referenzweinkarten Österreichs. Stundenlang könnte man hier mit dem Trio fachsimpeln, dann zurück ins Genießer-Restaurant fahren und mit Chefsommelier Alex Koblinger weiter diskutieren. Sich von Familienoberhaupt Hermann Döllerer Anekdoten über die von ihm gegründeten Kunst&Kulinarik-Festspiele auf Burg Golling erzählen lassen. In der Metzgerei ein Stück deftige Hauswurst schnabulieren.

Die Döllerers sind tatsächlich eine schrecklich nette Familie! 20 Mitglieder aus drei Generationen mischen inzwischen mit.

Alle Döllerers sind in die Erfolgsgeschichte involviert, alle ziehen an einem Strang. Ja, irgendwie würde man gern dazu gehören zu dieser seit 1909 in Golling ansässigen Bilderbuchfamilie. Einer scheint es ja bereits geschafft zu haben: Walter Grüll, der Fischfanatiker und ziemlich beste Freund des neoalpinen Haubenkochs.
Autor: Günter Kast

BUCHTIPP
Andreas Döllerer: »Cuisine Alpine« , D+R Verlag, Wien 2015

Das Buch »Das Wirtshaus« von Andreas Döllerer wird im Juni 2021 im Brandstätter-Verlag erscheinen.

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