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Die Eroberung einer neuen Welt

Wie wir Menschen das Bauwesen in die Berge trugen

Das Ötztal. Wild und rau. Archaische Gebirgszüge bilden hier unüberwindbare Grenzmauern. In den Höhen eisige Temperaturen und fürchterliche Stürme. Im Tal dagegen lauert die tödliche Gefahr von Überschwemmungen, Muren und Lawinenabgängen. Kein geeigneter Ort, um sich anzusiedeln. Oder gar zu bauen.

Und trotzdem ist es schon bald 10.000 Jahre her, da wurden genau dort, im hintersten Teil des Tales, erste primitive Jägerlager errichtet. Die letzte Eiszeit war quasi gerade erst vorüber, da wurden diese Camps schon dauerhaft die warmen Sommermonate über bewohnt. Erst 4000 Jahre später kommt ein Mann am Tisenjoch unter nie vollständig geklärten Umständen um. Weitere 5300 Jahre später soll er als Ötzi berühmt werden. In der Zwischenzeit aber, vollbrachte die Menschheit eine wahre Meisterleistung. Die lebensfeindliche Region wurde Stück für Stück urbar gemacht. Ackerbau und Viehzucht waren im Alpenraum möglich geworden. Und es wurde gebaut!

Entgegen aller Erwartungen siedelten die ersten Bewohner dieser Bergregion nicht in den Tiefen der Täler. Auf halber Höhe, weit weg von grollenden Lawinen und über die Ufer tretenden Flüssen, wurden aus dem Holz des Waldes erste Unterkünfte gebaut. Schnell vernetzten sich die Siedler. Wege über die höchsten Pässe wurden angelegt. Ein reger Handel, über den gesamten Hauptkamm hinweg, entstand.

218 Jahre vor unserer Zeitrechnung dann der nächste Paukenschlag. Was als unmöglich galt, setzte Hannibal mit einem ungeheuren Kraftakt in die Wirklichkeit um. Um den Römern beim Angriff auf Spanien zuvorzukommen, überschritt er die winterlichen Alpen. Im Schlepptau nicht weniger als 50.000 Soldaten, 9.000 Pferde und 37 Kriegselefanten. Die Hälfte seines Heeres und alle Elefanten kamen bei der wohl eindrücklichsten Alpenüberquerung aller Zeiten um. Und trotzdem: Die Alpen waren bezwungen. Von nun an war alles möglich.

In den Tälern der Berge waren derweil große Höfe gebaut worden. Durch Brandrodung wurde schnell Weideland gewonnen. Das Römische Reich wuchs, ebenso wie das Straßen- und Wegenetz. Der Große St. Bernhard Pass wurde vom Saumpfad zur Fahrstraße ausgebaut. Solche Arbeiten stellten große Herausforderungen dar und waren mit außerordentlichen Strapazen verbunden. Meistens waren es militärische Vorteile, die Grund genug für den Ausbau der Gebirgspässe boten. Aber auch Handel und Schmuggel kurbelten den Fortschritt an. Besonders den der Schutzhütten und Herbergen. Lange Zeit, bis hin zu Napoleon, ging dieser Fortschritt aber eher schleppend oder nur etappenweise voran.

Der Glaube aber, er versetzte damals schon Berge. 1889 wurde am Wendelstein in den bayrischen Voralpen, nur hundert Meter unter dem Gipfel der Grundstein für das Wendelsteinkircherl gelegt. Sie ist bis heute Deutschlands höchstgelegene Kirche. Kapellen an den unwirtlichsten Orten und Klöster der unterschiedlichsten Stilrichtungen wurden im gesamten Alpenraum errichtet. Die vielfältigen Baustile hatten dabei oftmals eine Gemeinsamkeit. Das entbehrungsreiche Leben sowie die schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse, ließen nur einfache, zweckorientierte Bauweisen zu, die sich aber bis heute etabliert haben und immer wieder gerne aufgegriffen werden. 

Dann geschah etwas unerwartetes. Etwas, das alles Bisherige in den Schatten stellen sollte. Die touristische Erschließung der Alpen begann. Mitte der 1950er entwickelte sich der Fremdenverkehr zum Massentourismus und innerhalb kürzester Zeit wurden die Alpen zum besterschlossensten Gebirge der Welt. Schutzhütten wurden ausgebaut, Wege und Straßen erweitert. Eisenbahnschienen durchziehen seitdem die Berge. Brücken und Tunnels ermöglichen Zugänge in Windeseile. 

Die Europabrücke am Brennerpass war jahrelang die höchste Brücke Europas. Fast 150 Meter hohe Pfeiler stützen dieses 800 Meter lange Monument aus Beton und Stahl. Der dort ausgegrabene und am Brennerparkplatz wiederverlegte Streckenabschnitt einer römischen Straße, er wirkt geradezu lächerlich klein.

Fast 2500 Meter über dem Meer, also weit über der Baumgrenze, liegt das Timmelsjoch. Über diese Scharte drangen die ersten Siedler vom Passeiertal ins Innere Ötztal vor. Erst 1955 wurde nach langer Vorgeschichte mit dem Bau einer asphaltierten Straße begonnen. Der Bau der Timmelsjoch Hochalpenstraße gilt als Zäsur für den Übergang vom manuellen zum mechanisierten Straßenbau. Heute verkürzt die Passstraße nicht nur die Zufahrt nach Italien, die ohne das Jahrhundertprojekt noch immer viele Stunden beanspruchen würde. Sie bietet auch eine spannende Überfahrt mit vielen informativen Stationen wie Museen und anderen Bauwerken, die übrigens wiederum selbst architektonisch sehr interessant sind.

200 Jahre nach der Erstbesteigung der Zugspitze bringt ein Weltrekord-Bauwerk täglich tausende Touristen auf das Dach Deutschlands. 120 Personen finden Platz, in nur einer der gigantischen Gondeln. Fast 2000 Meter Höhenunterschied überwindet man während der gesamten Fahrt, bei der nur eine einzige Seilbahnstütze passiert wird. Sie ist mit 127 Meter die Höchste, und das freie Spannfeld des Seiles mit 3.213 Meter das längste der Welt.

Mit epochalen Bauwerken in den unzugänglichsten und unwirtlichsten Regionen erschlossen wir die Alpen. Den Grundstein dafür legten unsere Vorfahren. Was heute edler Luxus, oder eine extraordinäre Wohnlage ist, war früher harter Kampf ums Überleben, entscheidend über Sieg und Niederlage. Heute verschmelzen Berg und Tal, Natur und Zivilisation ebenso wie Alpinismus und Tourismus. Bewahren wir aber den Blick für die Ursprünge, eröffnet sich eine beeindruckende Sichtweise auf unermüdlichen Tatendrang, Ehrgeiz und Engagement: Die Eroberung einer neuen Welt!

Autor: Benni Sauer

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